„Keine Osterweiterung der NATO“ Was 1990 versprochen wurde und was heute Realität ist
Am 2. Februar 1990 trafen sich Hans-Dietrich Genscher, damals deutscher Außenminister und Vizekanzler, und James Baker, US-Außenminister, in Washington zu einem Gespräch, das damals kaum jemand als historisch bezeichnet hätte. Doch rückblickend war dieses Treffen einer der entscheidenden Momente der europäischen Nachkriegsordnung.
Genscher sagte damals öffentlich:
„Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet nach Osten auszudehnen.
Das gilt nicht nur für die DDR, sondern ganz generell.“
Dieser Satz wurde in westlichen Medien jahrzehntelang kaum hervorgehoben.
Aber er existiert dokumentiert in Pressekonferenzen, diplomatischen Notizen, und Aussagen von Zeitzeugen.
Die Frage ist:
Wie konnte aus einem klar ausgesprochenen Signal politischer Zurückhaltung das genaue Gegenteil entstehen?
1990: Ein Moment des Neubeginns und des Misstrauens
Europa befand sich im Umbruch. Die Berliner Mauer war gefallen, die Sowjetunion zerfiel, Deutschland stand kurz vor der Wiedervereinigung.
Moskau hatte Angst, dass ein vereintes Deutschland im westlichen Militärbündnis zu einer Bedrohung werden könnte.
Deshalb verhandelten Politiker wie Genscher und Baker über Sicherheitsgarantien.
Und aus diesen Gesprächen entstanden mehrere zentrale Botschaften:
1. Keine NATO-Truppen nach Ostdeutschland
Das wurde später sogar vertraglich festgeschrieben.
2. Keine NATO-Osterweiterung „um keinen Zoll nach Osten“
Diese Formulierung wurde in internen Memoranden festgehalten unter anderem von Baker selbst.
3. Sicherheit in Europa nur gemeinsam mit Russland
Das war die Grundphilosophie der europäischen Diplomatie 1990–1991.
Doch diese politischen Grundsätze änderten sich nur wenige Jahre später dramatisch.
Ab Mitte der 1990er: Der Kurs kippt
1999 nur neun Jahre nach dem Versprechen traten die ersten drei osteuropäischen Staaten der NATO bei:
Polen, Ungarn und Tschechien.
In den Jahren danach folgten weitere:
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2004: Estland, Lettland, Litauen, Slowakei, Slowenien, Rumänien, Bulgarien
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2009: Albanien, Kroatien
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2017: Montenegro
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2020: Nordmazedonien
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2023: Finnland
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2024: Schweden
Damit rückte die NATO über 1.000 Kilometer an die russische Grenze heran entgegen dem Geist von 1990.
Viele Historiker sagen heute klar:
Die Worte von Genscher und Baker waren politische Zusagen, auch wenn sie nicht schriftlich als Vertrag fixiert wurden.
Warum die Kehrtwende?
Die Gründe sind vielschichtig:
1. Die neuen Demokratien im Osten suchten Schutz
Viele Staaten Osteuropas hatten jahrzehntelang unter sowjetischer Dominanz gelitten.
Ihre Regierungen wollten klare Sicherheitsgarantien vom Westen.
2. Die USA sahen eine geopolitische Chance
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstand ein Machtvakuum in Osteuropa, das Washington füllen wollte.
3. Russland war in den 1990ern politisch schwach
Der Kreml war wirtschaftlich am Boden und konnte der NATO-Erweiterung kaum etwas entgegensetzen.
4. Westliche Interessen – wirtschaftlich und militärisch
Neue NATO-Staaten bedeuten auch neue Absatzmärkte für Rüstungsindustrie, Infrastruktur und Energiepolitik.
Und was macht die NATO heute?
Heute präsentiert sich das Bündnis als „Verteidigungsorganisation“, die durch den Ukraine-Krieg mehr denn je expandiert.
Doch viele Kritiker fragen:
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Ist ein Militärbündnis, das sich bis an die Grenzen Russlands ausdehnt, wirklich deeskalierend?
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Welche Rolle spielen geopolitische Interessen der USA?
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Wie viel Sicherheit schafft militärische Aufrüstung und wie viel Unsicherheit erzeugt sie?
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Warum wird über die Versprechen von 1990 kaum gesprochen?
Fest steht:
Zwischen den diplomatischen Zusagen von damals und den politischen Realitäten von heute liegt ein tiefer Graben.
Fazit
Ob man die NATO-Osterweiterung begrüßt oder kritisiert eines lässt sich historisch kaum bestreiten:
1990 wurde ein anderes Europa versprochen als das, in dem wir heute leben.
Genscher und Baker standen damals für eine Vision von Sicherheit, die auf Vertrauen, Kooperation und gegenseitigen Garantien beruhte.
Heute dominiert ein Klima von Misstrauen, Abschreckung und geopolitischer Konfrontation.
Was macht die NATO heute
und zu welchem Preis für Europa?
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