
Ich komme also in die Psychiatrie, weil ich einen Suizidversuch gemacht habe.
Warum?
Ich habe seit ca. 2 Jahren ununterbrochen Kontrollzwänge und auch starke Zwangsgedanken.
Hört der eine Zwangsgedanke auf, kommt mit einer maximalen Verschnaufpause von zwei Minuten der nächste.
Dazu kam dann noch die depressive Verstimmung.
Ich konnte nicht mehr, wurde nach meinem Suizidversuch das erste Mal in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Ca. 3 Monate vergehen, in denen ich in einer Psychiatrie in Bayern in Behandlung bin, dann das „nahezu einzige Ergebnis“:
Lithium (Quilonum retard) 450 – 0 – 450 mg
Olanzapin (Zyprexa) 10 – 0 – 10 mg
Escitalopram (Cipralex) 20 – 0 – 0 mg
Pipamperon (Dipiperon) 0 – 0 – 40 mg
Mir geht es aber immer noch sehr schlecht, auf den zweiten Suizidversuch folgt der dritte und dann der vierte, dazwischen unzählige stationäre Aufenthalte in der Psychiatrie.
Hier zwei von den „Zwischenergebnissen“ meiner ca. 20 Aufenthalte:
Lithium (Quilonum retard) 450 – 0 – 450 mg
Clomipramin (Anafranil) 50 – 50 – 50 mg
Haloperidol (Haldol) 5 – 0 – 0 mg
Lithium (Quilonum retard) 450 – 0 – 450 mg
Risperidal (Risperidon) 3 – 0 – 3 mg
Seroquel (Quetiapin retard) 0 – 0 – 600 mg
Warum ich meine Medikamenteneinstellungen als „nahezu einziges Ergebnis“ dieser Klinikaufenthalte bezeichne?
Nun die Ergotherapien und die Sporttherapien in den Kliniken waren ganz nett und eine gute Beschäftigung, und sie gaben mir sicher während dieser Klinikaufenthalte Struktur und „einen Sinn zum Aufstehen“.
Leider war dies aber auch meist die einzige Therapieform, die ich in der Psychiatrie erfuhr.
Längere Arztgespräche gab es, wenn überhaupt, einmal in der Woche. Es wurden aber hier eher immer die Medikamenteneinstellungen erläutert, als therapeutische Gespräche geführt.
Auch bei der Visite lag der Hauptaugenmerk immer auf den zu verordnenden Medikamenten und Organisatorischem.
Die wenigsten Ärzte versuchten erst überhaupt mit mir eine tiefgründigere Therapie zu führen und die, die es versuchten, hatten meist zu wenig Zeit, um wirklich ein Therapieergebnis erzielen zu können.
Doch die Klinik hatte jedes Mal im abschließenden Arztbrief ein „glorreiches, wenn auch meist wohl einziges Ergebnis“ vorzuweisen:
Die neu gewonnene Medikamenteneinstellung!
Medikamenteneinstellungen hatte ich wirklich zahlreiche, wenn auch nicht gerade zielführende.
Denn so wurde ich durch die Verordnung des Antidepressivas „Anafranil“ zahlreiche Male manisch
– ohne dass die Ärzte hier einen Zusammenhang hergestellt hätten – und dadurch entwickelte sich aus meinen Depressionen eine bipolare Störung.
Ich nahm durch das „Xyprexa“ insgesamt 20 kg zu, bekam durch das „Lithium“ zittrige Hände, einmal sogar einen Tremor am ganzen Körper, erlitt durch das „Risperidal“ eine totale Gefühlstaubheit, war durch das „Seroquel“ ständig müde und wandelte durch das „Haldol“ wie ein „halbtoter Zombie“ herum.
Das „Haldol“ hat mir auch ein paar schöne Stunden mit steifem Hals beschert, ja mein Hals verkrampfte sich durch das Medikament und wurde für einige Stunden schief.
All diese „schönen Erlebnisse“ hatte ich mit Neuroleptika und Antidepressiva.
Mir wurde nicht langweilig…
Auch schwankte mein Befinden von einer Manie zur nächsten Depression, ja die Manien und Depressionen wurden auch immer ausgeprägter und intensiver, und da konnte auch das „Lithium“
nichts machen, ein angeblicher „Stimmungsstabilisator“.
Ich habe mich lange Zeit vertrauensvoll in die Hände der Psychiatrie begeben, glaubte dass man mir dort mit „bestem Wissen und Gewissen“ helfen wollte, doch ich habe dort keine Heilung erfahren.
Egal wie viele Medikamente mir verschrieben wurden, ich war ständig entweder manisch oder depressiv, hatte kaum noch eine normale, ausgeglichene Phase.
Dann habe ich beschlossen meine Antidepressiva in Höchstdosis zu nehmen.
Ich war zu dem Zeitpunkt einfach so verzweifelt, da ich sehr starke Ängste und Zwänge hatte und im Beipackzettel gelesen hatte, dass das Antidepressiva „Anafranil“ in Höchstdosis angeblich noch stärker zwangslösend wirken würde.
Ich wurde daraufhin in die stärkste Manie meines Lebens katapultiert und dann auch sehr bald psychotisch.
Meine Eltern dachten: „Jetzt ist alles vorbei – unsere Vera hat eine Psychose, ist kaum mehr ansprechbar, ist nur noch in ihrer eigenen Welt gefangen.“
Doch diese eigene Welt, die ich da in der Psychose entwickelte, barg auf unheimliche, geheimnisvolle Weise den Schlüssel zu meiner Heilung in sich.
Ja, ich erlebe bis heute meine Psychose als Heilungschance und Bewusstseinserweiterung.
Hat mir kein Medikament Linderung verschafft, so vermochte doch dies meine Psychose.
So begegnete ich in dieser psychotischen Phase der „Symbolfigur des Todes“, konnte mich so mit meinen Suizidversuchen aussöhnen, bin „Yin und Yang“ begegnet und habe Grundzüge des Buddhismus verstanden, obwohl ich mich nie davor mit der buddhistischen Religion befasst hatte.
Meine Psychosen waren sehr magisch, haben mich verzaubert, doch ich musste auch in einer Klinik Zwangsbehandlungen erleben, und es gab auch Momente, in denen mich die Psychose mit meinen tiefsten Ängsten quälte.
Ich denke, Psychose ist eine Krankheit, aber nicht auf eine Weise, wie die Psychiatrie sie definiert.
Ich sehe die Psychose als eine Verwirrung in einem höheren Bewusstsein, verursacht durch einen sehr abrupten Bewusstseinsanstieg, ausgelöst zum Beispiel durch Stress oder Drogen, oder wie bei mir durch zu viel Antidepressiva.
Zugleich sehe ich Psychose aber auch als Heilungschance, ja ich hatte bei meinen Psychosen das Gefühl, als würde ich „ein Therapieprogramm meines eigenen Gehirns durchlaufen“.
Heute nehme ich Medikamente, wenn auch nicht gerade freiwillig, da ich inzwischen abhängig davon bin.
Doch ich bin dabei, die Neuroleptika langsam aus zu schleichen.
Zu schnelles Absetzen führt meist zu einer Absatzpsychose, wie ich sie auch schon erleben „durfte“.
Mir geht es aber mit jeder Reduzierung besser, und ich merke, wie der „innere Käfig“ immer mehr aufgeht.
Ich spreche mich immer für die Therapieform des „Open Dialogue“ aus, eine reine Gesprächsstrategie zur Behandlung von Psychosen aus Finnland mit einer Heilungsquote von 85 %.
Dabei werden Medikamente niemals als Mittel erster Wahl und nur in Sonderfällen gegeben.
Es sind eben jene Gespräche, die den „Open Dialogue“ so erfolgreich machen und die in deutschen Psychiatrien fehlen.
Hierzulande wird immer noch primär auf die Verordnung von Neuroleptika gesetzt, auf Medikamente, die neben schweren Nebenwirkungen sogar im Extremfall bis zum Tod führen können und schädlich für Geist, Körper und Seele sind.
Doch es gibt auch hier einen Gewinner: die Pharmaindustrie, die bewusst mit dem Leid vieler psychisch kranker Menschen Unsummen an Geld macht und sogar angeblich Studienergebnisse verfälscht.