Nach langjährigem Mobbing kam es zur Psychose – es wurde mit Neuroleptika zwangsbehandelt – dadurch wurde er zum Pflegefall…
Der Fall des Peter Schwarz
in Zusammenarbeit mit Vera Maria (Autorin des Buches „Die unheimliche Magie der Psychose“)
und Dr. Martin Zinkler (Chefarzt der Psychiatrie des Klinikums in Heidenheim)
Ich will hier von einem Menschen berichten, der Opfer des Systems der Psychiatrie durch eine Zwangsbehandlung wurde.
Ein Versagen dieses Systems, das an sich schon bedenklich ist, ist sicherlich keine Seltenheit und oft wird vieles unter den Tisch gekehrt.
Zwangsbehandlung ist tragisch, da die notleidenden Menschen sind, die auf Hilfe hoffen und diese auch dringend benötigen.
Der Betroffene heißt Peter Schwarz, er tritt bewusst mit seinem vollen Namen an die Öffentlichkeit. Sein Fall ist auch diversen Journalistenteams bekannt, doch niemand wollte seinen Fall lange Zeit publik machen.
Peter erzählte mir:
„Psychisch krank wurde ich infolge langjährigen Mobbings am Arbeitsplatz. Ich habe früher in der Stahlindustrie gearbeitet und absolvierte 1990 erfolgreich die Meisterschule, wurde dann Vorarbeiter, geriet aber danach in einen Konflikt an meinem Arbeitsplatz, der sich über insgesamt zwölf Jahre hinzog. Ich wurde zwar zum Meister ernannt, aber nicht als solcher bezahlt. Dann wurde mir von den Vorgesetzten ein Vorarbeiter zur Seite gestellt, mit dem ich nicht klarkam.“
Herr Schwarz schildert über Jahre anhaltendes Mobbing: er sei für Dinge bloß gestellt worden, die nicht seine Schuld gewesen wären, ständig habe es Konflikte und Reibereien gegeben, bei einer Umstrukturierung des Betriebs im Jahr 2000 sei ihm gesagt worden, er solle aufgeben. Er hatte keine Arbeitsaufgaben (Kaltstellung) mehr bekommen. Zwei Jahre lang hatte er hauptsächlich unnötige Tätigkeiten verrichtet, bei 500,00 DM weniger Lohn im Monat.
Herr Schwarz schildert über Jahre anhaltendes Mobbing, ständig habe es Konflikte und Reibereien gegeben.
„Mein Arbeitgeber, vertreten durch einen Arbeitsdirektor, einem bekannten Manager, wollte 500 Mitarbeiter loswerden und betrieb deshalb „Bossing“ (Mobbing durch den Chef). Ich wehrte mich, hielt eine Rede auf einer Betriebsversammlung vor 2.000 Kollegen und externen Gästen. Und beschwerte mich über dieses Arbeitsunrecht sogar telefonisch bei dem damaligen Gesundheitsminister des Saarlandes.
Nach meiner Rede bekam ich noch mehr Probleme/Stress auf dem Arbeitsplatz. Ängste und schlaflose Nächte traten auf und dann bekam ich Verfolgungswahn. Im Jahre 2002 kam es dann zu einer psychotischen Episode.“
Im April 2002 ging Peter dann zu einer Polizeiwache, weil sich seine Situation immer mehr zuspitze und er sich Hilfe erhoffte. Er fühlte sich verfolgt und hatte eine paranoide Psychose entwickelt. Die Ursache war der Stress, den das Mobbing für ihn darstellte.
Peter schildert es so:
„Polizisten waren nervös, telefonierten herum, sie verhörten mich einige Zeit. Ich wurde mit einem Streifenwagen ins Hospital gefahren. Vor der Klinik bekam ich Panik und rannte vor den Polizisten weg, aber ich kam nicht weit. Die Polizisten gingen mit mir hinein und sprachen mit den Ärzten hinter verschlossener Tür. Die Ärzte untersuchten mich längere Zeit.
Gegen 14 Uhr hieß es, ich wäre in der falschen Klinik, da ich in einem anderen Landkreis wohnte, und dieselben Polizisten mussten mich wieder abholen. Ich wurde aber diesmal mit einem Krankenwagen und in Begleitung der Polizisten in eine wohnungsnahe Klinik gebracht.“
Laut Peter sei dies Peters Erinnerung an diese Zeit:
„Ich wurde von Ärzten untersucht, bis per Fax vom Landratsamt beschlossen wurde, dass ich zwangsbehandelt werden muss. Ich war nicht gewalttätig oder sonstiges.
Ich wehrte mich, als die Krankenpfleger mich fixierten und der Arzt mit der Spritze mit Neuroleptika kam.
Zwei Tage später besuchte mich erst der Richter, wir sprachen kaum etwas. Ich war durch die Zwangsmedikation stark benommen.“
Die neuroleptische Behandlung wurde nach Entlassung aus der Klinik ambulant weitergeführt mit regelmäßigen Depot-Neuroleptika Spritzen. Schon zwei Jahre später zeigten sich zunehmende Nebenwirkungen dieser Behandlung mit schmerzhaften Verkrampfungen und Bewegungsstörungen (Dystonien), die in der Folge zu einer schweren körperlichen Behinderung führten, so dass Peter Schwarz von Mitte 2012 bis Anfang 2013 sogar in einem Pflegeheim versorgt wurde, weil er kaum mehr gehen, alltägliche Dinge verrichten, und sich nicht mehr selbstständig ernähren konnte.
Erst die spezifische neurochirurgische Behandlung durch Implantation einer Sonde zur Hirnstimulation, die im Jahr 2013 am Klinikum Idar-Oberstein durchgeführt wurde, brachte eine allmähliche Besserung. Trotz der neuroleptisch bedingten Schäden erfolgte noch bis 2015 eine Behandlung mit Neuroleptika, die dann aber beendet wurde, ohne dass es zu erneuten psychiatrischen Behandlungen kam.
Auch ein Arztbrief eines Neurologen vom März 2018, der Arzt fasst den Verlauf recht gut zusammen:
„.2002 habe er eine Psychose entwickelt, vor allem mit paranoidem Erleben, sei stationär eingeliefert worden, habe Ciatyl und Haldol in höheren Dosen bekommen, habe dann 3 Jahre später dann schwere Dystonie
(Bei der Dystonie handelt es sich um eine Gruppe von Bewegungsstörungen, deren neurologischer Ursprung in den motorischen Zentren im Gehirn liegt)
und Dyskinesien
(Störung des Ablaufs einer Bewegung),
zunächst im Kopfbereich, dann im Bereich der Hände entwickelt.
Daraufhin sei 2005 Ciatyl langsam ausgeschlichen worden, Clozapin sei eindosiert worden, darauf habe er aber Blutbildveränderungen gezeigt. Nach 2012 kam ein zusätzlicher Tremor, er habe kaum mehr sprechen können, die Bewegungen seien zunehmend eingeschränkt gewesen, er sei zum Pflegefall geworden (Pflegestufe 3), habe einige Jahre im Pflegeheim verbracht.
Auf seine Initiative hin habe er sich 2013 bei einem Neurochirurgen vorgestellt, der die Indikation zu einer tiefen Hirnstimulation sah, seit Implantation ginge es ihm von Seiten der Bewegung deutlich besser.
Im weiteren zeitlichen Verlauf gab es Konflikte mit gesetzlichen Betreuern, die teils gegen seinen Willen installiert wurden. Hier gibt es auch, durch vorgelegte Schriftstücke, nach-vollziehbare Unregelmäßigkeiten.
Dadurch kamen auch deutliche finanzielle Einbußen.
Zurzeit gibt es keine Indikation mehr für eine gesetzliche Betreuung. Mehrere Ärzte hatten dies festgestellt.Während aller ambulanten Vorstellungen zeigte sich Herr Schwarz stets höflich und kooperativ, flüssiger Rapport, formal stets geordnet und nachvollziehbar, kein Wahn, keine Halluzinationen, kein Zwang.“
Peter hatte durch die Neuroleptika (ihm wurden im Laufe seiner Behandlung Seroquel, Tavor, Fluoxetin, Clozapin und weiter Medikamente verschrieben) einen neurologischen Schaden davongetragen.
2011 musste auch infolge dessen sein Blut wegen einer Anämie (Blutarmut) behandelt werden, 2011 wurde auch seine Herzklappe ausgetauscht.
2012 litt Peter dann eben unter den Dystonien als Folge der Neuroleptika. Er hatte Gangstörungen mit Stürzen, einen starken Tremor, konnte beispielsweise sein Essbesteck nicht mehr halten, die Körperpflege war ihm alleine nicht mehr möglich, bis er dann 2012 in einem Pflegeheim zur Kurzzeitpflege und anschließendem betreuten Wohnen untergebracht wurde.
2013 wurde dann auch der Hirnschrittmacher auf eigene Initiative implantiert, seitdem geht es ihm besser.
Peters Geschichte ist sicherlich kein Einzelfall und zeigt auf, wie stark die Risiken bei der Behandlung mit Neuroleptika sind.
Besonders bedenklich ist, dass Peter die Neuroleptika anfangs unter Zwang bekam.
Auch spätere Schwierigkeiten mit seiner Betreuung, die Peter eher als Hindernis und Belastung denn als Hilfe empfand, zeigen die starken Schwachstellen des Systems, in dem wir uns befinden.
Fakt ist: Peter war ein hilfsbedürftiger Mensch, der zwangsbehandelt wurde und dadurch langfristig körperliche Schäden davongetragen hat. Außerdem ist da noch die enorme emotionale Belastung, die seine Geschichte mit sich bringt. Peter hat aufgrund der Neuroleptika, die ihm unter Zwang verordnet wurden, die Hölle auf Erden erlebt.
Von Ärzten und auch von der Pharmaindustrie werden die Risiken der Neuroleptika oft klein gehalten oder schlecht bis gar nicht darüber aufgeklärt.
Peter will mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit gehen.
Er wehrt sich gegen ein System, das Fehler hat, aber dennoch sich auf seine Rechtschaffenheit beruft.
Denn was Peter geschehen ist, ist mit dem Gesetz abgesegnet.
Zwangsbehandlung ist (NOCH!) legal!
Dennoch ist es Menschenrechtsverletzung.