..später, beim Gespräch mit einigen Mitpatienten, die auf meiner Station in der Psychiatrie waren, stellten wir uns gemeinsam die Frage, wofür wir denn im Leben dankbar sind.
Wir haben dann eine lange Liste gemacht, eine Liste der Dankbarkeit, um uns zu vergegenwärtigen, welche Reichtümer uns das Leben schenkt. Basierend auf dieser Liste habe ich dann einen Text verfasst. Es haben ca. vier bis fünf Mitpatienten, die alle “psychisch krank” (ich mag das Wort nicht, ich nenne es heute lieber “psychisch besonders”) oder angeschlagen sind, mitgewirkt und besonders auffällig war, dass keiner materielle Dinge wie Geld oder Besitztümer genannt hat.
Das hat mir wiedermal eindringlich verdeutlicht, wie relativ der Stellenwert des materiellen Reichtums ist und wie unersetzbar und essentiell wichtig, die auf den ersten Blick kleinen Dinge des Lebens sind, die aber bei näherer Betrachtung das Leben doch erst lebenswert machen.
Natürlich wurden Dinge genannt, wie ein Dach über dem Kopf oder eine Arbeit zu haben, aber wir alle waren uns einig, dass es keine Luxusvilla oder ein Millionärsgehalt sein muss, um zufrieden leben zu können.
Solange man genug hat, um ein zufriedenes Leben zu führen, reicht dies völlig aus, und darin waren wir uns einig. Und die Reichtümer, die hauptsächlich genannt wurden, waren keineswegs von materieller Art und Weise, sondern jene, die man nicht mit Geld kaufen kann und doch von der Natur so bereitwillig geschenkt bekommt, wofür wir alle sehr dankbar sind.
Wie dankbar, das wurde einigen von uns erst beim Schreiben und Vorbereiten dieses kleinen Gebets bewusst:
„Ich bin dem Leben dankbar, mit seinen Fragen und Antworten, die uns geduldig erwarten, mit dem Kontrast freudiger Sonne und traurigem Mond, der Kraft und Energie zwischen Yin und Yang, den Sternschnuppen, die uns die Himmelskörper schenken, der Wechselwirkung von Wasser und Feuer, der Umwandlung von Regen zu Schnee. Ich bin dem Leben dankbar wegen der Schönheit der Natur, die uns unsere höhere Macht geschenkt hat, mit ihren Tieren, Bäumen, Pflanzen und Steinen, dem Sand und der Erde, den Regenbögen, die entstehen, wenn Sonne und Regen sich vereinen, der Luft, dem Wind, dem Sturm. Es ist so schön zu fühlen und zu spüren, Liebe und Freundschaft zu erleben, woraus Beziehung und Familie entstehen. Es ist wunderbar Glauben und Frieden zu realisieren, wodurch es Freiheit und Religion gibt. Gemeinschaft ist etwas Wunderbares und schafft am richtigen Ort zur richtigen Zeit neue Bekanntschaften. Es ist einzigartig zu wissen und zu lernen, mit Gelassenheit zu sehen und zu hören, sensibel Musik, Geschmack und Geruch zu erleben, gesund zu sein oder zu genesen, einfach zu überleben – dafür bin ich dankbar. Einfach ein Dach über dem Kopf zu haben, Essen und Trinken zu bekommen, Struktur zu finden und anzunehmen, Geburt und Tod zu erleben, auch das Schicksal mit seinen Werten und der Moral zu lieben – das bedeutet Dankbarkeit. Einfach sich auf das Wundervolle zu besinnen, das man hat, das heißt Zufriedenheit! Dafür bin ich dem Leben dankbar.“
“Die unheimliche Magie der Psychose”
Heute Jahre später, nachdem ich diesen Text für mein Buch damals geschrieben habe, weiß ich immer noch wie wichtig Dankbarkeit ist, denn wie mein Partner so oft sagt
“Ein Millionär kann in seiner Villa todunglücklich sein, wenn er das, was er hat nicht schätzt und dafür dankbar ist..”..
Ich denke, Dankbarkeit ist der Schlüssel zur Zufriedenheit, denn es wird immer etwas in unserem Leben geben, was uns nicht gefällt, woran wir zu “meckern und zu nörgeln” haben, doch wenn wir uns auf das besinnen, was uns glücklich macht, das, was wir positives im Leben haben, ja nur so können wir wohl wirklich zufrieden werden.
Eine einfache Übung ist es sich in der Wohnung zum Beispiel umzusehen, welche tollen Gegenstände man sein Eigen nennen darf, aber wahrscheinlich erstmal sich vor Augen zu führen, dass man ein Dach über dem Kopf hat, dass man etwas im Kühlschrank hat, denn das ist nicht selbstverständlich in dieser Welt.
Dankbar zu sein für die Familie, für die Freunde, dafür, dass wir Frieden haben in Deutschland, nicht in einem Kriegsgebiet leben, dankbar sein für die Sonne, den Mond, so wie ich im Dankbarkeitsgebet vor einigen Jahren geschrieben habe, dankbar zu sein für das, was man hat – darauf den Blick zu lenken und nicht immer den Blick auf das zu richten was noch suboptimal ist!
Denn das Glas ist immer in irgendeiner Weise halb voll und halb leer – der Blickwinkel entscheidet, wie man sich dabei fühlt!
von Vera Maria